Insolvenz des Arbeitgebers | Auswirkungen auf die bAV

Insolvenz und deren Auswirkungen auf Versicherungsverträge der betrieblichen Altersversorgung

Stand 11/2022

Ausgangslage:

Eine Insolvenz kann bei Zahlungsunfähigkeit, drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sowohl über das Vermögen des Arbeitgebers (Versicherungsnehmer) oder des Arbeitnehmers (versicherte Person) eröffnet werden. Eine Überschuldung eines Unternehmens liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Weil Pensionsverpflichtungen ungewisse Verbindlichkeiten darstellen, sind diese bei der Betrachtung mit einzubeziehen. Deshalb sind Pensionsrückstellungen für die Zahlungsfähigkeitsprognose zu berechnen. Hierfür erstellen wir „Gutachten für die Überschuldungsbilanz„.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist öffentlich bekannt zu machen und entfaltet dadurch bereits seine Wirkung. Die Insolvenzgerichte der Bundesrepublik Deutschland veröffentlichen die Bekanntmachungen, die vorzunehmen sind, wenn ein Insolvenzverfahren bei Gericht beantragt worden ist auf der Seite: https://www.insolvenzbekanntmachungen.de/

Welche Auswirkungen ein bestehendes Insolvenzverfahren auf die Versicherungsverträge der betrieblichen Altersversorgung entfaltet, ist abhängig von folgenden Faktoren:

  • Wer ist insolvent (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer)
  • Durchführungsweg
  • Stellung des Arbeitnehmers
  • Vereinbartes Bezugsrecht
  • Status der Versorgung (Ansparphase oder Leistungsphase)

Besonders wichtig ist die Ausgestaltung des Bezugsrechts bzw. das Vorhandensein einer Verpfändung zugunsten der versicherten Person. Die verschiedenen Konstellationen und die Auswirkungen einer Insolvenz sind in den folgenden Ausführungen beschrieben.

Insolvenz des Arbeitgebers

Durchführungs-wegPhaseSituationFolgeFolge
Direktzusage

Anwartschafts-phase

 

Arbeitgeber hat eine Rückdeckungs-versicherung abgeschlossen; diese ist nicht an den Arbeitnehmer verpfändetVersicherung fällt in die Insolvenzmasse, da sie zum Vermögen des Arbeitgebers zählt. Mitarbeiter sind jedoch durch den PSV im Rahmen der Höchstgrenzen gem. § 7 Abs. 3 BetrAVG geschützt.Mit Einführung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes wurde im BetrAVG der § 8 Abs. 3 eingeführt. Danach können Versorgungen, für die der PSV eintrittspflichtig ist, auf diesen oder den Versorgungsanwärter übertragen werden wenn die Versorgungszusage auf die Leistungen der Rückdeckungsversicherung verweist (beitragsorientierte Leistungszusage). Der PSV klärt den Anwärter (versicherte Person) über die Wahlmöglichkeit auf. Der Versorgungsanwärter kann innerhalb von 6 Monaten seine Wahl treffen. Entscheidet sich der Versorgungsanwärter für eine Übertragung auf ihn als Privatperson, stellt die Übernahme der Versicherung einen lohnsteuerlichen Zufluss dar. Der Vorgang wird jedoch zum Zeitpunkt der Übertragung steuerfrei gestellt. Die späteren Versorgungsleistungen gehören dann zu den sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 Nummer 5 Satz 1 EStG und unterliegen der nachgelagerten Besteuerung, soweit sie auf Beiträgen beruhen, die bis zur Übernahme der Versicherung geleistet wurden.
Arbeitgeber hat Rückdeckungs-versicherung abgeschlossen, für die der PSV eintrittspflichtig ist (Arbeitnehmer und GGF mit Arbeitnehmer-Status). Es besteht eine Verpfändung zugunsten des Arbeitnehmers.Ansprüche und Anwartschaften des Arbeitnehmers gehen gem. § 9 Abs. 2 BetrAVG auf den PSV über
U-Kassen-ZusagePfandrecht des Arbeitnehmers geht auch auf den PSV über (Wechsel Pfandgläubiger).

Anwartschafts-phase

 

Es gilt § 9 Abs. 3 BetrAVG. Bei Versorgungen, für die der PSV eintrittspflichtig ist (Arbeitnehmer und GGF mit Arbeitnehmer-Status), hat dieser einen Anspruch auf den Teil des Vermögens der Unterstützungskasse, der auf das Unternehmen entfällt, welches insolvent geworden ist. In der Praxis wird die bestehende Rückdeckungsversicherung von der U-Kasse auf den PSV als Versicherungsnehmer übertragen.

 

DurchführungswegPhaseSituationFolge
Direktversicherung oder Pensionskassen- ZusageAnwartschaftsphase (Arbeitnehmer bezieht noch keine Leistungen)Arbeitgeber hat Direktversicherung oder Pensionskassenvertrag abgeschlossen. Arbeitnehmer hat ein widerrufliches Bezugsrecht.Ansprüche fallen in die Insolvenzmasse.
In der Leistungsphase (Arbeitnehmer bezieht Leistungen)Arbeitgeber hat Direktversicherung oder Pensionskassenvertrag abgeschlossen. Arbeitnehmer bezieht Leistungen.Die Leistungen fallen nicht in die Insolvenzmasse und werden weiterhin an den Rentner erbracht.
Arbeitnehmer hat ein unwiderrufliches Bezugsrecht.

·    Versicherung fällt nicht in die Insolvenzmasse.

·    Arbeitnehmer hat ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO), eine Verfügung des Arbeitnehmers ist aber nicht möglich.

Arbeitnehmer hat ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht.Versicherung fällt in die Insolvenzmasse, sofern beim Dienstaustritt keine unverfallbaren Ansprüche gem. BetrAVG vorliegen. 1)

1) Achtung: In diesem Fall besteht bis zum Erreichen der Unverfallbarkeit derzeit eine unklare Rechtslage:
Laut BGH fällt ein insolvenzbedingtes Ausscheiden nicht unter den Vorbehalt, mit der Folge, dass der Arbeitnehmer beim Ausscheiden ein unwiderrufliches Bezugsrecht erlangt und damit ein Aussonderungsrecht erwirbt. Laut BAG fällt ein insolvenzbedingtes Ausscheiden unter den Vorbehalt, mit der Folge, dass die Versicherung in die Insolvenzmasse fällt.

Besonderheiten beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer bei Insolvenz des Arbeitgebers

DurchführungswegPhaseSituationFolge
DirektzusageAnsparphaseArbeitgeber hat Rückdeckungsversicherung abgeschlossen; diese ist nicht an den GGF verpfändet:Versicherung fällt in die Insolvenzmasse.
Arbeitgeber hat Rückdeckungsversicherung abgeschlossen; diese ist an den GGF verpfändet und die Pfandreife (Zeitpunkt, ab dem die Leistung der Zusage fällig wird.) ist noch nicht eingetreten.

·    Insolvenzverwalter hat das Einziehungsrecht (§ 80 InsO; BGH IX ZR 138/04) und kann die Versicherung kündigen.

·    Insolvenzverwalter muss den Rückkaufswert hinterlegen (§§ 191 Abs. 1, 198 InsO).

Arbeitgeber hat Rückdeckungsversicherung abgeschlossen; diese ist an den GGF verpfändet und die Pfandreife ist eingetreten.

·    Versicherung fällt nur für die Teile in die Insolvenzmasse, deren Teile der Leistung höher sind als der Leistungsanspruch des GGF.

·    Einziehungsrecht obliegt dem Pfandgläubiger (GGF)

U-KasseDie Rechte aus der Versicherung sollen immer an den GGF verpfändet sein. Dadurch fällt diese nicht in die Insolvenzmasse. In der Praxis wird die bestehende Rückdeckungsversicherung von der U-Kasse auf die versicherte Person übertragen.
Direktversicherung oder Pensionskassen- ZusageZur Insolvenzsicherung bei diesen Durchführungswegen ist zwingend zu beachten, dass bei einer arbeitgeber-finanzierten Zusage das entsprechende arbeitsrechtliche Dokument für GGF zu verwenden ist. Außerdem ist sowohl bei einer Entgeltumwandlung als auch bei einer Arbeitgeber-Finanzierung ein Gesellschafter-Beschluss zu erstellen.

Schrifterfordernisse

Im Rahmen der Insolvenzsicherung sind entsprechende Gesellschafterbeschlüsse für die Erteilung der Zusage und den Abschluss von verpfändeten Rückdeckungen notwendig. Zudem muss die Verpfändung dem Versicherer angezeigt werden. Darüber hinaus können Zusagen steuer- und insolvenzrechtliche Vorbehalte enthalten, die dem Insolvenzverwalter erlauben, sogar die verpfändete Rückdeckungsversicherung zu verwerten (Akzessorietät des Pfandrechts). Dies ist im Einzelfall zu prüfen.

Statuswechsel

Bei einem Wechsel des Status vom Arbeitnehmer zum GGF ist darauf zu achten, dass alle arbeitsrechtlichen Dokumente (Ausgestaltung des Bezugsrechts, Verpfändung, Gesellschafterbeschluss) entsprechend anzupassen sind und der Schriftform bedürfen.

Achtung: Neues Urteil des BGH vom 01.10.2019 (II ZR 386/17)
Es wurde entschieden, dass mehrere minderbeteiligte GGF, die zusammen ≥ 50 % der Anteile an einem Unternehmen halten, nicht mehr dem Schutzbereich des BetrAVG und damit nicht der gesetzlichen Insolvenzsicherung unterliegen. Bei einer Beteiligung eines GGF von = 50 % folgt ebenfalls keine Insolvenzsicherung.

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